Bonner Generalanzeiger, Samstag/Sonntag 22./23.3.2003

Feuilleton

Rituale im großen Rahmen

Ausstellung: Das Stadtmuseum Siegburg widmet der Kölner Performancekünstlerin Siglinde Kallnbach eine Werkschau mit einem Rückblick auf die letzten Jahre

von Stefanie Stadel

Ganz egal, ob der „Feuerlauf“ im fernen Japan oder Köln am Rosenmontag mit Jecken und Kamelle – für „Rituale“ aller Art hegt Siglinde Kallnbach offenbar besonderes Interesse. Mit der Kamera ist sie vor Ort und fotografiert. Auch bei der Sonnenfinsternis geht es ihr – wie zu erwarten – kaum um das Naturereignis an sich. Lieber fixiert sie Gruppen dunkel bebrillter Menschen beim kollektive Blick gen Himmel. Die künstlerischen Dokumente gemeinschaftlicher Erlebnisse sind aber nur eine Spielart im über 20 Jahre entwickelten Werk der Kölnerin. Denn für gewöhnlich wartet Kallnbach nicht ab, was kommt, sondern initiert, organisiert und inszeniert ihre „Rituale“ selbst – in ganz großem Rahmen. Etwa, wenn sie gekleidet in weiße Overalls um die Welt reist und sich mit guten Wünschen für krebskranke Mitbürger beschriften lässt.

Fotolegende:

Siglinde Kallnbach vor ihrer „Wunschspur“-Arbeit und neben dem „Aschetorso“

Foto: Franz Fischer

 

Das Stadtmuseum Siegburg zeigt nun Verschiedenes aus Kallnbachs Produktionen der letzten Jahre: Zum einen die ästheitisch oft recht reizvollen Fotos aus Japan, Köln, Bad Reichenhall, zum anderen Performance-Reste und –Resultate als zuweilen eher trockene Belege für die globalen Aktivitäten der Künstlerin. Außerdem stehen noch zwei mit Asche symbolisch schwer befrachtete Plexiglas-Torsi im Raum. Angesichts der bunten Mischung sind Bezüge zwischen Einzelteilen leider nur mit etwas Fantasie und Forschungsgeist zu erschließen, zumal in der Ausstellung mit didaktischen Hinweisen gespart wird. Gewiss zusammen gehören Fotos aus einem Tunnel, die weiße Großleinwand mit kryptischen Zick-Zack-Linien und kleine weiße Büchlein, in denen allerlei Wünsche notiert sind.

In Siegburg vertreten diese Requisiten Kallnbachs bisher wohl erfolgreichsten Coup, dessen Name Wunschspur – Wishingtrack“ der Ausstellung zugleich als Titel dient. Über Monate hatte die Künstlerin persönlich und per Fax oder E-Mail Wünsche für das neue Jahrtausend eingeholt und sie am Computer in eine Art Diagramm transformiert. Auf eine 461Meter lange Kunststoff-Bahn gedruckt, wurde diese „Wunschspur“ dann in den Neujahrsnächten 2000 und 2001 durch einen Versorgungstunnel gezogen, der parallel zur Kölner Hohenzollernbrücke unter dem Rhein verläuft. Das Projekt sollte der „energetischen Wirkung guter Wünsche nachgehen“. Was immer das auch heißen mag – ganz schön aufwendig war das Unternehmen auf jeden Fall. Belohnt wurde Kallnbach mit ansehnlicher Resonanz seitens prominenter Teilnehmer. Als Souvenier schuf sie eine „kleine Wunschspurarbeit für den Hausgebrauch. Auf handliches Format gebracht und 50 mal kopiert, mag sie ihre übersinniche Wirkung nun an Wohnzimmerwänden entfalten.

Stadtmuseum Siegburg, bis 20.April, täglich 10 – 17.00 Uhr, Do 10 – 20 Uhr,

Katalog 18 Euro