Weltfrieden und Mathenote

Von unserem Redaktionsmitglied
Anke Zimmer

Fulda
„Du hast drei Wünsche frei.“ Wer wollte sie nicht einmal treffen, die Fee aus dem Märchen, die einem etwas Gutes tun will? Wer wollte nicht einmal drei Wünsche frei haben? Doch die Qual der Wahl hat schon so manchen in Bedrängnis gebracht …
So richtig in Bedrängnis ist wohl niemand geraten, der von Siglinde Kallnbach nach seinen Wünschen befragt wurde. Zumal sie ja nicht die Fee aus dem Märchen ist, sondern eine Kölner Künstlerin und darum auch nicht zuständig für die Realisierung von Träumen. Sie hat sie „nur“ gesammelt. Was es letztlich einfacher machte, Wünsche zu formulieren. Und das kam dabei heraus: Der eine hofft, seine Eltern könnten sich endlich entscheiden, ob sie zusammen bleiben oder nicht. Die nächste will 20 Kilogramm verlieren. Der dritte fordert mehr Interesse am Nachbarn ein. Der vierte will besser in Mathe werden. Und der fünfte wartet und wartet und wartet auf den Weltfrieden.
„Wunschspur – Wishingtrack“ heißt die Aktion der 1956 in Tann geborenen Künstlerin. In Ausschnitten wird dieses Projekt derzeit im Fuldaer Vonderau Museum präsentiert. Ausschnitte deswegen, weil eine komplette Darstellung den Rahmen gesprengt hätte. Kallnbach nämlich hat zum Jahrtausendwechsel Menschen in allen Herren Ländern nach ihren Wünschen gefragt, hat Büchlein ausgelegt, in die man diese Träume hineinschreiben konnte, hat Postkarten bekommen, kleine Zeichnungen, Objekte. Rund 4000 Wünsche wurden ihr angetragen – die sie dann einscannte und mit einem speziell entwickelten Computerprogramm in eine grafische Kurve umwandelte. Diese Kurve war am Ende 461 Meter lang - und entsprach damit exakt der Länge des Kölner Energieversorger-Tunnels unter dem Rhein. Dort wurde die „Wunschspur“ Silvester 1999 gegen Mittag ausgelegt und blieb bis zum Neujahrstag im „Untergrund“.

Zehn Meter
Ein Teil dieser Spur – zehn Meter lang – hängt nun im Erdgeschoss des Vonderau Museums. Und in Vitrinen liegen ein paar der Zuschriften, Briefe, Postkarten, die die Künstlerin erreichten, sowie einige der Büchlein, in die viele Teilnehmer ihre Wünsche eintrugen, die mal das eigene Leben betreffen (Daniel Spoerri, Künstler: „Ich wünsche mir einen schmerzlosen, sofortigen Tod; wann auch immer, jetzt oder später.“) und mal den Zustand der Welt und der Menschheit (Carl Mayor von Preussen Elektra: „… dass alle Menschen endlich lernen, vernünftig und friedlich miteinander umzugehen.“). Und wer sich darin vertieft, der kann erkennen, wie es mit der Welt nicht nur zu Beginn des 21. Jahrhunderts aussah.
Kallnbachs Aktion „Wunschspur“ ist abgeschlossen. Anders verhält es sich mit „a performancelife“, das im zweiten Obergeschoss des Museums präsentiert wird. Dieses Projekt startete im Oktober 2001 anlässlich einer Kölner Brustkrebs-Veranstaltung. Kallnbach forderte dabei (und fordert auch weiterhin) Menschen auf, sich mit ihrem Namen oder den Namen von Bekannten / Verwandten „registrieren“ zu lassen, egal ob von der tückischen Krankheit betroffen oder „nur“ für dieses Thema sensibel. Anliegen der Kölnerin ist in diesem Fall die „Durchmischung, die Verbindung von Gesunden und Kranken“, wie sie selbst erklärt. Es geht ihr um „zwischenmenschliche Energie“, um Empathie, „ohne die kein Sozialsystem funktioniert“. Bislang bekam sie über 4000 Rückmeldungen; kurz nach der Ausstellungseröffnung in Fulda überreichte ihr beispielsweise die Künstlerin Linda Dörnbach eine Bonbonniere mit „Wunschbonbons“ für Krebskranke, die Kinder der Jugendkunstschule Fulda für das Projekt gefertigt hatten. Wie sie all diese Zusendungen bearbeiten wird, weiß Siglinde Kallnbach derzeit noch nicht. Rund zwei Jahre wird die Sammelphase noch weiter gehen.

Feuer und Asche
Um Energie geht es auch in einigen anderen Arbeiten. Da finden sich die „Asche-Torsi“, gefüllt mit den Überresten nach einem Feuer. Die Asche schlägt auch den Bogen zu den Karnevals-Bildern, endet die „tolle Zeit“ doch mit dem Aschermittwoch. Fotos mit Menschen, die sich die Sonnenfinsternis vom August 1999 ansahen – die Augen hinter Schutzbrillen verborgen –, verweisen ebenfalls auf diesen Themenkomplex. Von den beeindruckenden Feuerbildern ganz zu schweigen, auf denen dieses einerseits segensreiche, andererseits aber auch lebensgefährliche Element eine außergewöhnliche Faszination birgt.
Siglinde Kallnbach: Wunschspur – Wishingtrack. Vonderau Museum, Fulda. Bis 25. August. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Der Katalog, erschienen im Salon Verlag und mit freundlicher Unterstützung der Firma Hoffmann-La Roche erstellt, kostet 18 Euro. Die Aktionen von Siglinde Kallnbach finden sich im Internet unter: www.wishingtrack.com und www.a.performancelife.com

Ein Beitrag aus der Fuldaer Zeitung

artikel: http://www.fuldaerzeitung.de/sixcms/detail.php?id=54281